Dialektik des Augenblicks - Aussegnungshalle in Karlsruhe-Oberreut 2001

 

Kunst am Bau von Stefanie Lampert - Text zum Katalog 2001

 
     
     
 

Ein subtiles und zugleich reiches Spiel aus Malerei, Licht und Architektur hat Stefanie Lampert für die Aussegnungshalle in Karlsruhe-Oberreut entwickelt. Die Installation an der Stirnwand bestimmt nun neben Sarg, Orgel und Rednerpult jede Handlung in diesem konfessionslosen und nur der Trauer gewidmeten Raum.
Der bereits geplante Lichtschacht oberhalb der Stirnwand wurde von der Künstlerin in ihre Konzeption mit einbezogen. Farbige Gläser werfen bei entsprechenden Wetterverhältnissen je nach Sonnenstand und Intensität sich verändernde Farbbahnen über die abschließende Wand. Dieser reinen Lichtmalerei steht ein direkter Eingriff in die Architektur gegenüber. Leicht aus der Mitte gerückt tritt aus der weiß gestrichenen Wand eine Fläche hervor, rechteckig, mit eigenen Proportionen. Ein Bildfeld wurde in eine Aussparung der Wand eingelassen, das durch seine Konstruktion und die formale Bezugnahme auf den Raum als Teil der Architektur wirkt. Die strenge Form antwortet auf das Gebäude, aus der orthogonalen Struktur scheint sich die Bildfläche jedoch herauszuwinden, denn vier unterschiedlich weit hervortretende Ecken erzeugen eine in sich verdrehte und dadurch irritierend bewegte Oberfläche.
Wie eng der Verbund von Architektur und Bild gedacht ist, zeigt sich an der farblichen Erscheinung der Oberfläche des Bildfeldes. Ursprünglich in Wandweiß geplant, steht heute ein mit Rosa und Gelb gebrochenes Weiß vor der Wand. Das weiße Bildfeld war "zu wenig Bild" und erhielt daher eine zweite Fassung in einer Farbigkeit, die dem Lichtspiel des Oberlichtes entnommen ist. Aus der architektonischen Form, die aus der Wand herauskippend einen ästhetischen Strudel erzeugt, ist nun eine schwebende, farblich auf den Raum und das Licht abgestimmte Bildfläche geworden.Die Gratwanderung zwischen Architektur und Malerei belegen die wandweiß belassenen Seitenflächen die farblich die Wand weiterführen, auch wenn die Seiten durch Verschattung als dunkle Begleitflächen erscheinen. Fällt Licht durch die farbigen Oberlichter auf die Seitenränder des Bildes, so entsteht als Folge der Reflektion eine glühende Lichtaura, die das leicht farbige Bildfeld als dunkles Zentrum versinken lässt. Die Ränder scheinen dagegen ein Eigenleben zu führen. Wie Neonröhren strahlt das Licht von ihnen auf die weiße Wand. Bei sich schnell verändernden Wetterverhältnissen erscheint die Halle als ein Spektakel von Erscheinen und Verschwinden dieser Lichtwirkungen. Malerei geht über in einen Lichtraum, der aus sich selbst zu pulsieren scheint und der bei der nächsten Wolke wieder in eine weiße Stille zurückfällt.
Durch intuitives Suchen nach Proportionen und Farben ist es der Künstlerin gelungen, in der Verspannung von Licht, Bild und Raum ein ästhetisches Ereignis zu schaffen, das jenseits einer religiösen Bindung eine eigenständige Qualität besitzt und dennoch als Angebot zur Kontemplation für die Trauernden dienen kann.
Das bisherige Werk Stefanie Lamperts zeichnet sich gegenüber dieser Installation durch die Konzentration der künstlerischen Mittel auf Farbe und Leinwand aus. Intuitive Farbordnungen in orthogonalen Bildsystemen stehen in der Tradition der Farbfeldmalerei.
Mit der farblichen Gestaltung der Seitenflächen eröffnet die Künstlerin in ihnen neben der eigentlichen Leinwand einen Lichtraum, der die Bilder zum Teil des architektonischen Raumes macht. Über die Kombination mehrerer Leinwände erzielt die Künstlerin fein tarierte Lichtereignisse, die sich nur teilweise auf der Leinwand abspielen.
Von gleicher Bedeutung sind hier die Farb- und Intensitätsvaleurs, die zu Kontrastwirkungen innerhalb und außerhalb der Leinwand führen und so erst in der Wahrnehmung des Betrachters das eigentliche Bild erzeugen. Auch das Kippen und Hervortreten der Bildflächen aus einer wandparallelen Ebene trägt zur Ablösung des Phänomens vom Objekt bei. Farbprojektionen auf Architektur, zum ersten Mal für den raum 2 in Mannheim (2001) realisiert, führen die Arbeit mit Farbe und Raum unter Verzicht auf das Bildobjekt fort.
Sieht man von dieser jüngsten Arbeit ab, so verzichtet Stefanie Lampert nicht auf das Bild im Unterschied zu Entmaterialisierungsversuchen, wie sie beispielhaft von James Turrell oder Michel Verjux realisiert wurden. Der Bildkörper bleibt substantieller Bestandteil des Werkes und die malerische Auseinandersetzung mit Farbe und Bildträger ist die Grundlage ihrer künstlerischen Arbeit. Während der Verzicht auf die Stofflichkeit der Bilder als Ausdruck einer Autonomisierung des Bildes verstanden werden kann, so treten diese in den Objekten und Installationen Stefanie Lamperts in eine Dialektik ein, deren Ziel in der Findung eines ästhetischen Augenblicks liegt, der Stofflichkeit und Zeichenhaftigkeit der Kunst in einem offenen Prozess der Wahrnehmung verbindet

 
     

Reto Krüger

 
 
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