Erfahungsräume unseres Blickes - Ausstellung Den Haag 2000

 

Bilder und Bildobjekte von Stefanie Lampert - Text zum Katalog 2000

 
     
     
 

Farbe, Fläche und Raum bilden zugleich Form und Inhalt der Werke Stefanie Lamperts. Losgelöst von außerbildlichen Erscheinungen und Bedeutungen, von stofflicher Beschaffenheit und haptischer Qualität basieren ihre Bilder und Bildobjekte auf rein abstraktem und formal reduziertem Inventar. Das Augenmerk ist auf die ästhetische Dimension der Farbe und Form und ihre Beziehung zum Raum gerichtet.
In Anlehnung an das traditionelle Leinwandformat variiert die Künstlerin die Form des Recht-eckes. Monochrome Kompositionen fügen sich in unterschiedlich proportionierte Flächen und treten als asymmetrische Konfigurationen in einen spannungsvollen Dialog. Teils ineinander verschachtelt, teils parallel einander zugeordnet interagieren die Module im Raum.Ob klare, strahlende Farbigkeit oder dunkles Grau, das aus der Überlagerung verschiedener Töne hervorgeht, besitzt die Farbe durch die vollkommen unpersönliche Behandlung immer einen starken Eigenwert und behauptet sich als autonomes Element. Die gleichmäßige Binnenstruktur der Bilder und ihre stumpfe Textur schaffen den Eindruck räumlicher Tiefe und Unergründlichkeit.
Neben flache Leinwandarbeiten treten solche, die zwischen Bild, Relief und Objekt anzusiedeln sind. In diesen Bildobjekten dehnt sich die Farbe über die Grenzen der Bildoberfläche aus und schließt den Rand als gestalterische Fläche ein. Helle, leuchtende Farben an den Seitenrän-dern werfen durch das Licht evozierte Reflexionen auf die dahinterliegende Wand und die an-grenzenden Farbflächen. Die Interaktion materieller und immaterieller Farben lassen Konturen verschwimmen, Module verschmelzen und das Kunstwerk zu einem sinnlichen Ereignis von suggestiver Kraft werden.
Licht als raumbildende Substanz tritt in den Kontext monochromer Malerei und wird durch die Farbreflexion unmittelbar greifbar. Auf diese Weise wird die Farbfläche in einen anderen Wahr-nehmungsbereich transportiert, der ihre reale räumliche Umgebung miteinbezieht. Wandfläche, Wandstruktur und Lichtquelle bilden die Variablen in dem Farb-Licht-Spiel. Das gemalte Bild, als solches statisch und unveränderlich, gewinnt durch die sich wandelnden Raum- und Licht-verhältnisse eine Eigendynamik, so daß die Bilder nie in einen endgültigen Zustand treten. Immer verändert sich das Kunstwerk in Abhängigkeit von den räumlichen Gegebenheiten, wandelt sich das Verhältnis voneinander abgegrenzter Farbfelder. Das Licht changiert in fließender Ansichtigkeit zwischen Stillstand und Dynamik, Fläche und Raum, zwischen faßbarer Erscheinung und reiner Transparenz.
Das formal-ästhetische Interesse an der Beziehung zwischen Farbe, Fläche und Raum verfolgt Stefanie Lampert auch in Arbeiten, in denen sie die geometrische Klarheit der mehrteiligen Lichtbilder auf eine Fläche überträgt. Rechtwinklige Formen verbinden sich hier zu Kompositionen, verlaufen in kontrolliertem Gestus über die äußeren Grenzen der Bildoberfläche hinaus oder werden vom Rand jäh beschnitten. Die sich zu allen Seiten hin öffnenden Bilder schweben als Segmente im Raum und verlangen nach einer imaginären Fortsetzung der Formen in der Vorstellung des Betrachters. Beziehen die Lichtbilder durch ihre Reflexion die Wandfläche unmittelbar mit ein, so erfahren diese ausschnitthaft belassenen Bilder eine Weiterführung im realen Raum erst beim Sehen in uns.

Das Bild, vermittelt als Fragment des realen Raums, hebt die Grenze zwischen Bild- und Betrachterraum auf. Stefanie Lampert konzipiert das Kunstwerk als Erfahrungsraum unseres Blicks und lotet die Subtilität und Flexibilität der optischen Wahrnehmung aus.

 
     

Ellen Heider

 

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